Was die Olympischen Spiele in Tokio uns über Mentale Gesundheit verraten

Verkehr in Tokio Olympische Spiele

Spätestens seit dem emotionalen Tweet zu ihren Depressionen ist Naomi Ōsaka ein prägender Name für Schwarze Menschen weltweit. Vor ein paar Monaten entflammte durch die 23-Jährige große Aufmerksamkeit um das Thema der psychischen Gesundheit. Die aktuellen Olympischen Spiele in Tokio offenbaren dabei, wie viel tiefer das Thema geht.

Mit Serena Williams ist die Japanerin mit haitianischen Wurzeln, Naomi Ōsaka, eine der wenigen Schwarzen erfolgreichen Tennis-Profispieler*innen. Nach den French Opens hatte sie sich aufgrund ihrer mentalen Probleme gezielt zurückgezogen. Auf Twitter hatte sie sich zu ihren Depressionen bekannt. Hier benannte sie Themen wie COVID-19, Erwartungsdruck und vor allem, Kritik an traditionellen Pressekonferenzen. Im Achtelfinale der laufenden Olympischen Spiele schied sie aus. Zu der Presse sagte sie später, dass es für sie nach den French Opens vielleicht noch zu früh gewesen sei, um zurück auf den Tennisplatz zu gehen.

 

Nun scheidet eine weitere Schwarze Sportlerin von den Olympischen Spielen aus. US-Turnerin Simone Biles und der US-Turnverband verkündeten, dass ihr mentaler Zustand Grund für ihren Auszug aus dem Frauen-Gymnastikteam in Tokio sei. Sie erklärte, dass auf sich zu achten wichtiger sei, als sich durchzukämpfen. Fans reagierten in den sozialen Netzwerken mit viel Verständnis und Beistand, u.a. die ehemalige First Lady Michelle Obama.

Die Schwarze Schmerzgrenze

So schade diese Nachrichten auch sind, umso stärker ist die Offenheit, die diese Sportlerinnen an den Tag legen. Die Unsichtbarmachung psychischer Probleme unter Afrikanischen und Afro-diasporischen Menschen hat eine lange Tradition, die bis in die Kolonialzeit zurückgeht. Schwarzen Menschen wird oft zugeschrieben, mental und körperlich mehr aushalten zu können als weiße Menschen. So wurde bereits Sklaverei gerechtfertigt.

Dass beispielsweise gebärenden Schwarzen Frauen in Krankenhäusern seltener und auch eher schwache oder keine Schmerzmittel verabreicht werden, ist ein Phänomen, das heute noch Gang und Gäbe ist. Die 35-Jährige Leichtathletin Allyson Felix, die auch bei Olympia in Tokio am Start ist, brachte 2018 ihre Tochter Camryn zwei Monate zu früh zur Welt. Der Grund: Präeklampsie, eine Schwangerschaftsvergiftung, die bei Schwarzen Frau rund 60% häufiger vorkommt als bei weißen. Darauf basierend hätten Ärzt*innen vorsorgend handeln müssen.

Auch die Geburt von Serena Williams Tochter Olympia 2017 erregte großes Aufsehen. Die Profi-Tennisspielerin starb beinahe bei dem Kaiserschnitteingriff. Ihre Herzfrequenz war während der Geburt so stark gesunken, dass sie in den nächsten Tagen um ihr Leben kämpfen musste.

Wieso kommt es heute noch immer so weit? Und was macht das auf einer mentalen Ebene nachwirkend mit diesen Frauen?

Depression, ein Tabu

Wir erinnern uns an den Skandal um Sha‘Carri Richardson vor einigen Wochen. Die 100 Meter-Läuferin verlor ihre Teilnahme in Tokio, nachdem THC in ihrem Blut gefunden wurde. Die Athletin nahm dieses Urteil entgegen und entschuldigte sich öffentlich. Auch erklärte sie, dass sie nach dem kürzlichen Tod ihrer Mutter unter enormen Stress stand und sich so zu helfen wissen wollte. 

Es ist erstaunlich wie viele Schwarze Frauen in diesem Jahr Aufsehen wegen mentalen Problemen erregt haben. Als sei es ein Schock, dass es auch für Schwarze Menschen zu viel werden kann. Die menschgemachten Stereotypen führen dazu, dass nicht nur weiße sondern auch Schwarze Menschen schockiert reagieren, wenn diese Geschichten an die Oberfläche kommen. Erst dann wird einem bewusst, dass man nicht allein mit Trauer und Ängsten ist.

Wie Janelle Monáe bereits sagte “Crown on my head but the world on my shoulder.”

Es wird Zeit, dass das gesellschaftliche Tabu um Depression Schwarzer Menschen gebrochen wird. Innerhalb und außerhalb unserer Communitys muss es einen Dialog geben. Denn nur so kann sich mitzuteilen normalisiert werden. Bis wir dort ankommen, können wir uns fragen: müssen mehr Angebote für mentalen Beistand explizit für BIPoC geschaffen werden?