Bio-Ökos und der tägliche Struggle

Ein ganz normaler Tag in Berlin. Es ist Frühsommer und ich gehe die Straßen entlang. Ich sehe eine Gruppe von drei Personen auf mich zukommen und schon von weitem denke ich mir oh no! Eigentlich will ich die Straßenseite wechseln, aber dann ist es schon zu spät. Sie kommen näher. Ich sehe einen weißen Typen, der sein Rennrad dabeihat und zwei weiße Personen, die mit ihm unterwegs sind. Mein Blick wandert in ihre Gesichter, schweift dann hoch zu den Haaren: zwei Personen haben Locks und lächeln mich an. Als wären wir irgendwie verbunden oder so, weil sie sich etwas angeeignet haben. Doch mit den Locks noch nicht genug: der Typ trägt auch noch eine Haremshose, die man oft an der Spezies sehen kann, die vor mir steht. Die wohnen bestimmt in so einer großen funktionalen WG. Im Wohnprojekt. Bio. Vegan. FFF. White feminism. #FCKAFD. Mein Blick wandert wieder in ihre Gesichter, die Kommune lächelt mir immer noch zu und ich sehe ihre Gedanken, ohne dass sie sie aussprechen müssen: 

Hey, ich fühl mich deiner Kultur total verbunden und liebe afrikanisches Essen, afrikanisches Leben allgemein und natürlich eure Hautfarbe. Ich weiß jetzt nicht wo du herkommst, aber ich war schon mal in Afrika und habe da ein FSJ an einer Schule gemacht. Soo ein tolles Land und so traumhaft schön. 

In meinem Kopf rotiert es: Was wollt ihr Liberalos? Ihr seid diejenigen, die andere dafür judgen, wenn sie keine Bioprodukte kaufen, weil ihr nicht weiter denkt als “alles für die Umwelt” und nicht hinterfragt, ob sie es sich leisten können. Ihr seid diejenigen, die auf eine Black Lives Matter Demo gehen wollen, aber kurz vorher absagen, weil ihr denkt: ja, ich bin doch eigentlich gar nicht radikal und ja, #alllivesmatter! Ich als weiße Person will nicht in eine Schublade gestopft werden. Oder die, die sich entscheiden auf eine Demo zu gehen und dann bei Instagram eine schwarze Kachel posten und denken „so, jetzt kann ich mich gemütlich in meine Hängematte legen und einen grünen Smoothie trinken.“ Ich singe – leider nur in Gedanken – „Schneid die Haare ab! Schneid die Haare ab!” und forme mit meinem Zeige- und Mittelfinger eine Schere. Sie gucken irritiert, ich lächle jetzt auch und ziehe vorbei.