Let Me Take You To Kalakuta – Die Entstehung des Afrobeat in Nigeria

Die Kalakuta Republic war in den 1970er Jahren ein wichtiger Ort für Musiker*innen in Nigeria. Doch von ihrer Gründung bis zum Umsturz ist nicht viel bekannt. Um die Entstehung zu erzählen, muss erstmal über die Umstände in Nigeria in den 1960er und 70er Jahren gesprochen werden und über den Gründer dieser Republik: Fela Kuti.

 

Fela Kuti, Olufela Olusegun Oludotun Ransome-Kuti oder Fela Anikulapo-Kuti wurde 1938 in Nigeria geboren und gilt als “Erfinder des Afrobeat”. Er definierte sich als „politischer Musiker“, der seine musikalischen Fähigkeiten nutzte, um die staatlichen Strukturen und die damit zusammenhängenden sozialen Umstände und Beziehungen zu hinterfragen und zu bewerten. Fela Kuti wollte seiner Musik, die als “Jazz-Highlife” bezeichnet wurde, einen neuen Namen geben und nannte sie ab 1969 Afrobeat. Afrobeat war eine Kombination aus Yoruba*-Rhythmen und ausdrucksstarken Gesängen, “Highlife-Jazz und dem funkigen Soul von James Brown“. Mit seiner Band Africa 70 war er 1969 auf US-Tour und wurde dort von Malcolm X und den Black Panthers** politisch beeinflusst. Dies ließ er dann auch vermehrt in seine Musik, die zunehmend politischer wurde, einfließen.

Nach dem Bürgerkrieg in Nigeria, der von 1967 bis 1970 dauerte, regierte das Militär. Afrobeat formte sich ab 1970 dann gesellschaftlich, da die Situation im Land nach dem Krieg durch Unterbezahlung, neue wirtschaftliche Orientierung der Regierung, viel Arbeit sowie überbevölkerte Slums angespannt war. Fela Kuti beschrieb in seiner Musik diese Lebensumstände der Menschen, sodass sie sich selbst in der Musik erkannten.

Fela Kuti mit seiner Band Africa 70

Durch diese neue Musikrichtung, die Aktivismus und Musik stark verband, wurde durch die Benennung und Kritik von Themen wie Unterdrückung, das kapitalistische System, die Eigenschaften des postkolonialen Staates, Geschlecht, Klasse, Staatsbürgerschaft, Empowerment und kulturelle Identität eine neue Perspektive auf die Welt gezeigt.

Afrobeat wurde politische Musik; Kutis Musik nahm die Perspektive der Opposition des postkolonialen Staates mit seinen Problemen ein, weshalb er schließlich durch den nigerianischen Staat verfolgt wurde. Mehrfach wurde er nun wegen verschiedener Anschuldigungen inhaftiert. Auch 1974 kam er ins Gefängnis, seine Mitinhaftierten nannten ihre Zelle „Kalakuta Republic“; kalakuta heißt auf Swahili sowas wie „Schurke“. Nach der Entlassung nannte Kuti sein Haus ebenso: „Kalakuta Republic“. Seine selbsternannte Republik, von der er Präsident war, betrachtete er als unabhängige Republik der nigerianischen Republik. Es war eine „abgespaltene“ Republik in Lagos, um Künstler*innen und bekannten Afro-Pop Musiker*innen sowie deren Freunden und Familien politische Zuflucht zu gewähren. Mit der Gründung wollte Fela Kuti dem unterdrückerischen System um den damaligen Präsidenten und Diktator Obsanjo entkommen. In der Kalakuta Republic gab es unter anderem ein Aufnahmestudio und eine Privatklinik.

1977 stürmte das Militär dann die Republik und übte starke Gewalt gegenüber den Bewohner*innen aus. Etwa 60 Personen wohnten zu dem Zeitpunkt im Haus. Alle wurden inhaftiert. Später gründete Kuti eine neue Kalakuta Republic in Lagos, in der sich heute ihm zu Ehren das Kalakuta Museum befindet.

Neben der Republik gründete er zudem die Partei Movement of The People, die 1979 jedoch von der Wahlliste für die Präsidentschaft gestrichen wurde. 1997 starb Fela Kuti in Lagos an AIDS.

Fela Kuti

Durch seinen Aktivismus und in erster Linie durch die Errichtung der neuen Musikrichtung Afro-Pop, wurde Fela Kuti zu einem weltweit bekannten Musiker.

Die Künstler*innen emPawa Africa, Bey T, George Kalukusha, Lady Donli, Nemo, Ruth Ronnie, Trina South und Union 5 veröffentlichten 2020 den Song Kalakuta, eine Hommage an die Kalakuta Republic.

 

 

* Die Yoruba sind eine der drei größten ethnischen Gruppen in Nigeria. Auch in Togo und Benin leben kleinere Gruppen der Yoruba.

**Die Black Panther Party wurde 1966 in Oakland, den USA von Huey Newton und Bobby Seale gegründet. Sie wurde als Reaktion auf die Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre geschaffen, die im Süden die Situation der Schwarzen Bevölkerung nicht veränderte. Mit der militanten Gruppe Black Panthers sollte nun die Schwarze Bevölkerung vor Gewalt (insbesondere auch Polizeigewalt) geschützt werden. Sie stellten Community-Programme auf, versorgten Menschen mit Kleidung, Essen, Transport und forderten Freiheit, Vollzeitbeschäftigung, menschengerechtes Wohnen, gute Bildung für die Schwarze Bevölkerung. Ihr Ziel war nicht die Integration in die amerikanische Gesellschaft, sondern die komplette Veränderung dieser. 

 

Quellen

Olaniyan, Tejumola., and ProQuest. Arrest the Music! Fela and His Rebel Art and Politics. Bloomington: Indiana UP, 2004. African Expressive Cultures. Web.
Collins, John. Fela : Kalakuta Notes, Wesleyan University Press, 2015. ProQuest Ebook Central, http://ebookcentral.proquest.com/lib/huberlin-ebooks/detail.action?docID=1852215.
https://www.britannica.com/biography/Fela-Kuti
https://www.britannica.com/topic/Yoruba
https://nmaahc.si.edu/explore/stories/black-panther-party-challenging-police-and-promoting-social-change
https://felakuti.com/eu/legacy/kalakuta-museum